Der Historikerin Daniela Münkel, Mitglied des SPD-Geschichtsforums und Leiterin der Forschung (!) beim Stasi-Unterlagen-Archiv /BA/BStU, passen die Erkenntnisse und Aussagen meines Buches (»Widerstand. Eine Abrechnung mit der SED-Diktatur« Lukas-Verlag, Berlin 2021) aus den verschiedensten Gründen nicht. Dazu zählen sicher auch ideologische. Aber öffentlich dazu auffordern, es bloß nicht zu lesen, kommt einer Light-Version der Bücherverbrennung von ’33 nahe. Warum reagiert eine Wissenschaftlerin derart destruktiv und emotional?
Dabei gilt es nicht, sozialistische Variationen zu ehren, nicht abstrakte Werte zu schützen, nicht Ideologien zu retten. Zu ehren, zu schützen und zu retten ist die Wahrheit, das Recht und die Freiheit, sind auch jene, die dafür ihr Leben einsetzten, die Widerstand gegen Lüge, Gewalt und Unfreiheit leisteten, wovon das Buch zeugt. Deren Kämpfe als unerheblich, deren Aussagen als nicht lesenswert zu bezeichnen, wie es Münkel in der Faz tat, sagt viel über ihr Denken aus. Einen solchen Rigorismus halte ich im Sinne einer demokratischen Debattenkultur für gefährlich. Fakten, die man nicht kennt oder leugnet, Meinungen, die man selbst nicht teilt, die sich angeblich nicht lohnen zu lesen, hat etwas Autoritäres. Münkel scheint den Grundsatz Voltaires vergessen zu haben »Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.«
Die wichtigste Regel postsozialistischer Erinnerungspolitik lautet, auf die Stimmen der Opfer und Geschädigten des SED-Regimes zu hören. Dabei denkt man an die zeitgeschichtliche Debatte, bekannt als Historikerstreit, über die geschichtswissenschaftliche Methodik bei der Herausarbeitung der Singularität des Holocaust. Saul Friedländer stellte damals fest, dass deutsche Historiker davon ausgingen, dass jüdische Stimmen nichts zur Debatte beitragen oder von ihr ablenken würden, weil sie zu emotional seien. Tatsächlich war die Einbeziehung dieser Stimmen nicht nur unerlässlich, um das Grauen der Ereignisse zu begreifen, wie Friedländer betonte, sondern auch, um ihr Ausmaß zu verstehen. Aus dieser Sicht ist das Apodiktische der Aussagen Münkels nichts anderes als eine subtile Form wissenschaftlicher Herablassung gegenüber dem Widerstand, den Opfern und den Geschädigten des SED-Regimes. Vor allem jenen, die als politische Häftlinge misshandelt und gefoltert wurden, weil sie der Idee eines freiheitlichen Rechtsstaates anhingen.
Als Leiterin einer Forschungsabteilung über die Geheimpolizei ’Stasi’ im BA, sollte sie zu diesem Thema sammeln, sichten und unvoreingenommen präsentieren. Kurz gesagt, Demokratie kann nur in ständiger Auseinandersetzung mit der Geschichte gedeihen. Die bleibt unbequem, weil Stimmen gehört werden müssen, die wehtun. Dagegen »rezensiert« Münkel mein Buch in abgehobener Äquidistanz, anstatt aufgrund gemeinsamer Werte. Bei den Verbrechen der Kommunisten in der DDR handelt es sich um einen, wie Salman Rushdie schrieb, ‘Moment im Licht gleißender moralischer Klarheit, in dem man keinen Schatten sucht‘.
Wenn Münkel in destruktiver Manier erklärt, dass es ’nicht lohnen’ würde, das Buch eines Widerständlers gegen das SED-System, auf den mehrere Mordanschläge der Stasi verübt worden waren, zu lesen, macht das ihre egozentrierte, autoritäre und undemokratische Hybris sichtbar. Mir scheint, sie hat sich mit der Empirie des kritisierten Textes nicht auseinandergesetzt. Demokratie basiert auf Wehrhaftigkeit und unbedingter Parteinahme – mit klar begrenzter Toleranz für ihre Feinde. HistorikerInnen und andere Anhänger der 'Cancel Culture' mit derartiger Ignoranz werden in der Geschichte nicht bestehen.